Verfahren der Wertermittlung

Grundsätze zur Wahl der Wertermittlungsverfahren

Nach § 194 BauGB wird der Verkehrswert (Marktwert) durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder der sonstigen Grundstücksmerkmale ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
Ziel jeder Verkehrswertermittlung ist es folglich, einen möglichst marktkonformen Wert des Grundstücks (d.h. den wahrscheinlichsten Kaufpreis im nächsten Kauffall bei einer normalen Käufer-Verkäufer-Beziehung) zu bestimmen. Nach den Vorschriften der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) sind zur Ermittlung des Verkehrswerts

  • das Vergleichswertverfahren
  • das Ertragswertverfahren (normales, vereinfachtes oder periodisches Ertragswertverfahren)
  • und das Sachwertverfahren

oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen (§ 8 Abs. 1, Satz 1 ImmoWertV). Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts, unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und den sonstigen Umständen des Einzelfalls zu wählen und die Wahl ist zu begründen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV).

Allgemeine Kriterien für die Eignung der Wertermittlungsverfahren

Die Einflussgrößen der einzelnen Bewertungsverfahren sollen den, in dem Grundstücksteilmarkt des Bewertungsobjektes vorherrschenden Marktüberlegungen (Preisbildungsmechanismen) entsprechen. Zur Bewertung bebauter Grundstücke sollten immer mindestens zwei möglichst weitgehend voneinander unabhängige Wertermittlungsverfahren (2-Säulen-Prinzip) angewendet werden. Das zweite Verfahren dient zur Überprüfung des ersten Verfahrensergebnisses.
Diesbezüglich ist das Verfahren am geeignetsten und vorrangig zur Ableitung des Verkehrswerts heranzuziehen, dessen für marktkonforme Wertermittlungen erforderliche Daten (i.S.d. § 193 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV) am zuverlässigsten aus dem Grundstücksmarkt (z.B. aus vergleichbaren Kauffällen) abgeleitet wurden bzw. dem Sachverständigen zur Verfügung stehen.

Bodenwertermittlung

Der Bodenwert ist (auch in den Verfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke) i.d.R. auf der Grundlage von Vergleichskaufpreisen so zu ermitteln, wie er sich ergeben würde, wenn das Grundstück unbebaut wäre (§ 16 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Liegen geeignete Bodenrichtwerte vor, so können diese anstelle oder ergänzend zu den Vergleichskaufpreisen zur Bodenwertermittlung herangezogen werden (§ 16 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV).
Abweichungen des zu bewertenden Grundstücks vom Vergleichsgrundstück bzw. vom Bodenrichtwertgrundstück in den wertbeeinflussenden Merkmalen – wie Erschließungszustand, spezielle Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Grundstücksgestalt, u.s.w., aber auch Abweichungen des Wertermittlungsstichtags vom Kaufzeitpunkt der Vergleichsgrundstücke bzw. vom Stichtag, zu dem der Bodenrichtwert abgeleitet wurde, bewirken i.d.R. entsprechende Abweichungen seines Bodenwerts von dem Vergleichskaufpreis bzw. dem Bodenrichtwert (§ 15 Abs. 1 Satz 4 ImmoWertV).
Für den vorliegenden Bewertungsfall liegt ein i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV i.V.m. § 196 Abs. 1 Satz 4 BauGB geeigneter, d.h. hinreichend gegliederter und bezüglich seiner wesentlichen Einflussfaktoren definierter Bodenrichtwert vor. Geeignete Vergleichskaufpreise zur Durchführungen einer Vergleichswertermittlung liegen in der Kaufpreissammlung des zuständigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte (Telefonat mit dem Gutachterausschuss Musterstadt, Herr Müller am 14.04.2014) sowie in der eigenen Kaufpreissammlung des unterzeichnenden Sachverständigen nicht vor. Der vom Gutachterausschuss veröffentlichte Bodenrichtwert wurde bezüglich seiner relativen Richtigkeit (Vergleich mit den Bodenrichtwerten der angrenzenden Bodenrichtwertzonen) und seiner absoluten Höhe (Vergleich mit Bodenrichtwerten von in etwa lagegleichwertigen Bodenrichtwertzonen, ggf. auch aus anderen Gemeinden) auf Plausibilität überprüft und als zutreffend beurteilt. Die Bodenwertermittlung erfolgt deshalb auf der Grundlage dieses Bodenrichtwerts unter Umrechnung auf die allgemeinen Wertermittlungsverhältnisse zum Wertermittlungsstichtag sowie der Anpassung an die Grundstücksmerkmale des Bewertungsobjekts (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 4 ImmoWertV).

Vergleichswertverfahren

Für manche Grundstücksarten (z.B. Eigentumswohnungen, Reihenhausgrundstücke, Einfamilienhäuser in Siedlungsgebieten, …) existiert oftmals ein hinreichend großer Grundstückshandel mit vergleichbaren Objekten. Den Marktteilnehmern sind zudem oftmals die für vergleichbare Objekte gezahlten oder verlangten Kaufpreise bekannt (z.B. durch Zeitungs-, Internet- oder Maklerangebote). Da sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr die Preisbildung für derartige Objekte dann an diesen Vergleichspreisen orientiert, sollte zu deren Bewertung möglichst auch das Vergleichswertverfahren herangezogen werden.
Die Anwendung des Vergleichswertverfahrens zur Bewertung des bebauten Grundstücks ist im vorliegenden Fall nicht möglich, weil keine hinreichende Anzahl zum Preisvergleich geeigneter Vergleichskaufpreise verfügbar sind und auch keine hinreichend differenziert beschriebenen Vergleichsfaktoren des örtlichen Grundstücksmarktes zur Bewertung des bebauten Grundstücks zur Verfügung stehen. Auf eine Vergleichswertermittlung wird somit verzichtet.

Ertragswertverfahren

Steht für den Erwerb oder die Errichtung vergleichbarer Objekte üblicherweise die zu erzielende Rendite (Mieteinnahme, Wertsteigerung, steuerliche Abschreibung) im Vordergrund, so wird nach dem Auswahlkriterium „Kaufpreisbildungsmechanismen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr“ das Ertragswertverfahren als vorrangig anzuwendendes Verfahren angesehen.
Dies trifft für das hier zu bewertende, bebaute Grundstück zu, auch wenn es nicht als typisches Renditeobjekt angesehen werden kann.
Das Ertragswertverfahren (gem. §§ 17 – 20 ImmoWertV) ist durch die Verwendung des aus vielen Vergleichskaufpreisen abgeleiteten Liegenschaftszinssatzes (Reinerträge : Kaufpreise) ein indirekter Preisvergleich, in dem vorrangig die in dieses Bewertungsmodell eingeführten Einflussgrößen (insbesondere Mieten, Restnutzungsdauer; aber auch Zustandsbesonderheiten) die Wertbildung und die Wertunterschiede bewirken.

Sachwertverfahren

Mit dem Sachwertverfahren werden solche bebaute Grundstücke vorrangig bewertet, die üblicherweise nicht zur Erzielung von Renditen, sondern im Regelfall zur renditeunabhängigen Eigennutzung verwendet (gekauft oder errichtet) werden.
Dies trifft für das hier zu bewertende Grundstück zu, weshalb es als reines Sachwertobjekt anzusehen ist. Im Folgenden wird das Sachwertwertverfahren als das vorrangig geeignete Verfahren zur Bestimmung des Verkehrswertes angesehen und der Verkehrswert ausschließlich aus dem Ergebnis dieses Verfahrens abgeleitet. Die Anwendung des Sachwertverfahrens ist im vorliegenden Fall, aufgrund der vorhandenen Datengrundlage des zuständigen Gutachterausschusses (Sachwertfaktoren mit Angabe des Bewertungsmodells) möglich. Insofern wird der Verkehrswert ausschließlich auf Grundlage des Sachwertverfahrens abgeleitet.

Schlussfolgerung – Verfahrenswahl

Üblicherweise sollten mindestens zwei Verfahren (Zwei-Säulen-Prinzip) unabhängig voneinander angewendet werden. Im vorliegenden Fall steht eine ausreichende Datengrundlage für das Ertragswert- und Sachwertverfahren zur Verfügung. Der Verkehrswert wird abschließend unter Würdigung der Aussagefähigkeit der einzelnen Verfahrensergebnisse wie zuvor begründet  nur aus dem Ergebnis der Sachwertermittlung abgeleitete und auf seine Plausibilität geprüft.

Wertermittlungsverfahren

  • Vergleichswertverfahren
  • Ertragswertverfahren
  • Sachwertverfahren